Informationen über sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt ist jede Form der sexuellen Handlung die nonverbal, verbal, körperlich oder digital aufgezwungen wird. Hierzu zählen sexueller Kindesmissbrauch, sexuelle Belästigung, sexuelle Nötigung bis hin zur Vergewaltigung. Das Motiv der sexualisierten Gewalt ist nicht Sexualität, sondern Macht. Sexualität wird funktionalisiert, um die Betroffenen zu demütigen, zu erniedrigen und zu unterdrücken, mit dem Ziel, sich selbst als mächtig zu erleben.

„Eigentlich“ geschehen sexuelle Übergriffe sehr häufig. 

Im Alltag zeigen sich häufig Situationen, die im ersten Moment unauffällig erscheinen. Vielleicht bemerken Sie etwas später, dass Sie sich in einer bestimmten Situation unwohl oder gar beschämt gefühlt haben.

Zum Beispiel:

  • Jemand drückt sich in der U-Bahn an Sie.
  • Anzügliche Blicke oder zweideutige sexistische Sprüche.
  • Sie bekommen sexistische Bilder zugesendet, ohne dies gewollt zu haben.
  • In der Arbeit lehnt sich ein/e Kolleg*in ständig über Sie, um an bestimmte Akten zu kommen.

Die Liste könnte noch beliebig weitergeführt werden und es gibt tausend „kleine“ Vorkommnisse, welche letztendlich ein Scham-, Angst- oder Ekelgefühl in Ihnen auslösen. Achten Sie auf Ihre Gefühle und nehmen Sie sich selbst ernst. Sexualisierte Gewalt kann anfänglich in einem harmlosen „Licht“ erscheinen und Sie dennoch stark belasten.

Täterprofile

Die Täter und Täterinnen sind in den meisten Fällen Männer und zu einem geringeren Anteil Frauen. Sexualisierte Gewalt tritt in familiären, sozialen und institutionellen Zusammenhängen innerhalb unserer Gesellschaft auf. Ganz überwiegend kommen die Täter*innen aus dem familiären oder sozialen Umfeld der betroffenen Kinder/Jugendlichen.

 

Täterstrategien

Die Täter und Täterinnen sind in den meisten Fällen Personen, die den Kindern bekannt sind. Sie nutzen gezielt Bindung, Abhängigkeit, Ängste, Scham- und Schuldgefühle (z.B. durch Schweigegebot, Drohungen etc.), um das Kind zu manipulieren. Innerhalb der Familie hat es der/die Täter*in leicht – das Kind ist seiner/ihrer Verfügungsgewalt ausgesetzt. 

Außerhalb der Familien versuchen Täter*innen mit Freundschaftsangeboten und Geschenken das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. Über sozial gebilligte Berührungen wird Körperkontakt hergestellt bis es zu sexuellen Handlungen kommt.

Diese Strategien werden eingesetzt, um den sexuellen Missbrauch eines Kindes oder eines/einer Jugendlichen möglich zu machen. Sexueller Missbrauch wird von den Täter*innen immer geplant. Wichtig ist es für die Täter*innen den Missbrauch geheim zu halten, um den Missbrauch vernebeln und leugnen zu können.

 

Frauen mit Behinderung

Eine Studie der Universität Bielefeld (2011) zeigt, dass Frauen mit Behinderung sowohl in der Kindheit und Jugend als auch im Erwachsenenalter zwei- bis dreimal so häufig von  sexualisierter Gewalt betroffen sind. Dies ist vor allem in Verbindung mit Betreuung der Fall. 

Die häufig benötigte Unterstützung bei der Alltagsbewältigung, wie Pflege und Haushalt, schafft eine große körperliche Nähe. Beispielsweise ist die Hilfe bei der Körperhygiene notwendig und greift zugleich tief in die Intimsphäre ein. Viele Frauen mit Behinderung machen von klein auf die Erfahrung, dass sie in Ihrem Lebensalltag fremdbestimmt sind. Dies schafft einen Nährboden für sexualisierte Gewalt. 

Auf www.suse-hilft.de finden betroffene Frauen Informationen und Unterstützung in leichter Sprache.

Betroffene

Die Dunkelziffer besagt, dass jedes 4. Mädchen und jeder 6. Junge von sexueller Gewalt betroffen ist. Dies zeigt auf, wie häufig sexuelle Gewalt in unserer Gesellschaft vorkommt und trotzdem unerkannt bleibt. Jeder Mensch kann von sexueller Gewalt betroffen sein, unabhängig von Geschlecht, Alter, sozialer und kultureller Herkunft, Aussehen oder Verhalten. 

Betroffene Menschen benötigen Unterstützung und Vertrauenspersonen, denen sie sich mitteilen können. Es hat sich gezeigt, dass eine zeitnahe Unterstützung hilfreich bei der Verarbeitung des Erlebten ist. Sie als Betroffene entscheiden selbst, wann der richtige Moment ist, sich zu öffnen und Unterstützung anzunehmen.

Erleben der Betroffenen

Frauen reagieren unterschiedlich auf Gewalterfahrungen.
Für betroffene Frauen geht Lebensnormalität
verloren. Sie fühlen sich häufig ohnmächtig und gelähmt, gemischt mit Gefühlen von Demütigung, Scham und Angst. 

Viele Betroffene berichten, dass sie während der sexuellen Gewalt nicht handlungsfähig und wie erstarrt waren. Andere beschreiben, dass sie währenddessen alles wie durch eine Wolke erlebt oder sich gar selbst von außen gesehen haben. Es kann sein, dass nur eine schemenhafte Erinnerung an die Übergriffe besteht und sich gesehene Gegenstände bildlich tief eingeprägt haben, während der Körper gar nicht spürbar war.

Das Erlebte wird häufig tief in den Betroffenen „vergraben“ und darüber zu reden fällt sehr schwer. Die Schwierigkeit, das Erlebte in Worte zu fassen, zeigt sich in Sprachlosigkeit und Zurückgezogenheit. 

Die inneren Prozesse sind tiefgreifend und zeigen sich nach Außen hin sehr verschieden. 

Hinweise auf sexualisierte Gewalt

Es gibt nicht den Hinweis auf sexualisierte Gewalt. Es gibt jedoch einige Merkmale:

  • blaue Flecken, Prellungen, Kratzer, Aufschürfungen
  • Rötungen und Risse im Intimbereich
  • Verhaltensänderungen: Aggressionen, Zurückgezogenheit, fehlende Impulskontrolle, Schlafstörungen, Albträume, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsprobleme und Vieles mehr
  • Verbale Hinweise: altersuntypischer Wortschatz, konkrete Aussagen (z.B. „XY fasst mich da immer an.“)
  • Sexualisierte Verhaltensweisen
Für Erwachsene ist es schwierig, die Hinweise der Kinder wahrzunehmen und richtig einzuordnen. Es ist wichtig achtsam zu sein und Hinweise unbedingt ernst zu nehmen! 
 
Umgang im Verdachtsfall

Besteht eine Vermutung oder ein Verdacht, dass eine sexualisierte Gewalttat vorliegt, ist es wichtig, diesem Gefühl und den Hinweisen unbedingt nachzugehen.

Auch wenn es schwer fällt, bleiben Sie ruhig und handeln Sie nicht überstürzt.

Wenden Sie sich an uns, gemeinsam besprechen wir, was für die Verdachtsklärung wichtig sein könnte.

Unsere Telefonnummer: 0961 33 0 99

 

PDF – Handlungsleitfaden bei Hinweisen auf sexuelle Gewalt. 

Vergewaltigung

Vergewaltigung ist ein Verbrechen und kein aggressiver Ausdruck von Sexualität. Es ist die extremste Form des Machtmissbrauchs, bei der Sexualität zur Demütigung genutzt wird. Vergewaltigung ist sexualisierte Gewalt und wohl eine der schmerzvollsten Erfahrungen, der Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind.

Eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 2016 unterstreicht, dass sexualisierte Gewalt ein Verbrechen ist. Unter dem Grundsatz „Nein heißt Nein“ wurde das Sexualstrafrecht verschärft. Ein Vorgehen „gegen den erkennbaren Willen“ ist ausreichend für die Strafverfolgung. Das heißt, es braucht keine körperliche und verbale Gegenwehr.

Übergriffe unter Kindern

Es gibt kindliche geschlechtliche Begegnungen – dies bezeichnet ein Erkunden des eigenen und anderen Körpers. Kinder binden dieses Erkunden oft ins Spiel ein. Die Begegnungen finden auf Augenhöhe, freiwillig, mit Neugierde und Spaß und ohne Druck und Gewalt statt (z.B. Doktorspiele). 

Eine sexuelle Handlung unter Kindern wird dann als sexueller Übergriff bezeichnet, wenn sie auf Grund eines Machtverhältnisses erzwungen wird. Merkmale eines Machtverhältnisses können das Alter, Geschlecht, Körpergröße, geistige und kognitive Unterlegenheit oder kulturelle Zugehörigkeit sein. Bei Unfreiwilligkeit und unausgeglichenen Machtverhältnissen ist Handeln unbedingt notwendig.  

PDF – Regeln für Körpererkundungsspiel

Sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen

Sexualisierte Gewalt unter Jugendlichen ist keine Ausnahme, sondern Teil des Alltags der meisten Mädchen und Jungen.  

Sexistische Sprüche, Berührungen oder ungefragte Nacktfotos auf sozialen Kanälen sind Beispiele dafür. Diese können spontan aus einer Situation heraus entstehen oder vorsätzlich geplant sein. Die Täter*innen sind meist Cliquenmitglieder, Mitschüler*innen, Bekannte und Beziehungspartner*innen.

Das Spektrum der sexualisierten Gewalt unter Jugendlichen reicht von anzüglichen Blicken bis hin zur Vergewaltigung.

 

Digitale Gewalt

Digitale Gewalt ist ein Oberbegriff für Formen von sexualisierter Gewalt mittels digitaler Medien (Handy, Apps, Internetanwendungen, Mails etc.). 

 

Digitale Gewalt findet nicht getrennt von „analoger Gewalt“ statt, sie stellt meist eine Ergänzung oder Verstärkung von Gewaltverhältnissen und -dynamiken im persönlichen Umfeld dar. 

Unter digitale Gewalt fallen Formen wie:

  • Cybermobbing
  • Cyberstalking
  • Cyberharrassment („Cyberbelästigung“)
  • Cybersexismus
  • Cybergrooming (gezielte sexuelle Belästigung von Kindern/Jugendlichen durch Erwachsene)
  • Nötigen und ungewolltes Erhalten und Verbreiten von sexuellen Inhalten im Netz

Digitale Gewalt findet rund um die Uhr statt und erreicht ein großes Umfeld. 

PDF – Unterstützungsangebote bei digitalisierter Gewalt

 

Stalking

Stalking bedeutet das fortgesetzte Belästigen, Verfolgen und Bedrohen einer Person – oft intensiv und über längere Zeiträume hinweg. 

Beispiele für Stalking sind:

  • zahlreiche und bedrohende Anrufe, Nachrichten, E-Mails,
  • ständiges Verfolgen und Auflauern,
  • Sachbeschädigungen
  • Bedrohungen, Nötigungen, bis hin zu körperlicher und sexualisierter Gewalt.

Zu 80% sind Frauen betroffen. Stalking bedroht die eigene Sicherheit und Privatsphäre, es erzeugt Angst und schränkt die Bewegungsfreiheit ein. Die Stalker*innen sind meist Ex-Partner*innen oder vermeintliche „Verehrer*innen“.

In vielen Fällen werden Betroffene durch die ständige Bedrohung krank oder geraten in soziale Isolation. Daher ist es wichtig, frühzeitig Hilfe zu holen und geeignete Maßnahmen zu treffen.

K.O. - Tropfen

K.O.-Tropfen werden bewusst eingesetzt, um Menschen zu betäuben und wehrlos zu machen. Sie werden meist in (alkoholische) Getränke gemischt, sind geschmacks- und geruchlos und somit nicht wahrnehmbar. Die Symptome sind ähnlich denen von übermäßigem Alkohol- oder anderem Drogenkonsum. Die Betroffenen – in der Regel junge Frauen – werden willenlos und je nach Verfassung und Dosierung völlig betäubt und sind durch die körperliche Betäubung nicht mehr in der Lage sich zu wehren. Je nach Alkoholmenge und Konzentration der K.O.-Tropfen kann die Mischung tödlich sein. Betroffene können sich meist nicht oder nur schemenhaft an die Vergewaltigung oder andere sexuelle Übergriffe erinnern. Die Wirkung kann bis zu 4 Stunden andauern. Die Substanzen können höchsten bis zu 12 Stunden nach der Einnahme nachgewiesen werden. Die fehlende Erinnerung stellt für die Strafverfolgung ein großes Problem dar.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz

Mehr als 2/3 aller Frauen wurden bereits an ihrem Arbeitsplatz von Kolleg*innen oder Vorgesetzten sexuell belästigt. Sexuelle Belästigung schließt alle Handlungen ein, mit denen eine Person eine andere gegen ihren Willen sexuell bedrängt. Diese Belästigungen können sowohl nonverbale und verbale Anspielungen als auch körperliche Berührungen sein, welche die Würde der betroffenen Person verletzen und Gefühle der Erniedrigung, Beleidigung und Scham auslösen. Dabei ist nicht relevant, ob die Belästigung bewusst oder unbewusst geschieht. Belästigung beginnt da, wo man sich belästigt fühlt. Welche Rechte Sie als Arbeitnehmer*in haben und welche Pflichten Ihr/e Arbeitgeber*in hat, regelt seit 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). 

PDF – Handlungsleitfaden bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt

Als organisierte sexualisierte Gewalt bezeichnet man die systematische Anwendung schwerer sexualisierter Gewalt in Verbindung mit körperlicher und psychischer Gewalt durch mehrere Täter*innen bzw. Täter*innennetzwerke. Dient eine Ideologie zur Begründung oder Rechtfertigung der Gewalttaten, wird dies als rituelle Gewalt bezeichnet. 

Hilfe bietet die bundesweite, kostenfreie und anonyme telefonische Anlaufstelle berta unter der Nummer 0800 30 50 750 oder unter www.nina-info.de/berta.

Betroffene erhalten Beratung, Entlastung und Unterstützung beim Umgang und Ausstieg aus organisierten sexualisierten und rituellen Gewaltstrukturen. 

Trauma

Trauma lässt sich bildlich als eine „seelische Wunde“ verstehen, die durch ein traumatisierendes Erlebnis entstehen kann. Eine traumatisierende Situation bringt Menschen in einen Zustand überwältigender Hilflosigkeit, weil die psychische oder körperliche Unversehrtheit zutiefst bedroht wird. 

Dem Körper stehen bei erlebten Bedrohungen folgende Strategien zur Verfügung: Flucht und Kampf. Gelingt dies nicht, so tritt eine Erstarrung des Körpers ein. 

Um in akuten Situationen Schock und Schmerzen durchzustehen, verfügt unsere Psyche über Schutzmechanismen. Zum Beispiel dient die Abspaltung der Gefühle dazu, nicht von ihnen überwältigt zu werden. Ein Trauma wird daher ohne Raum-Zeit-Einordnung und in einzelnen Bildfragmenten im Gehirn gespeichert. 

Betroffene erleben nach sexuellen Gewalttaten daher häufig sogenannte Flashbacks, womit schwer kontrollierbare, plötzlich auftretende Erinnerungen und Körperempfindungen gemeint sind. Diese können durch sogenannte Trigger ausgelöst werden, die unbewusst an das Trauma erinnern, z.B. Sexualkontakte, Ähnlichkeiten mit dem Täter, Geräusche oder Gerüche. Flashbacks sind äußerst belastend, da sie die Betroffenen das traumatische Erlebnis erneut durchleben lassen. Begleitet wird dies oftmals von Herzrasen, Atemnot, Angstzuständen und Beklemmungsgefühlen. Betroffene erleben meist eine permanente innere Anspannung.

Folgen sexualisierter Gewalt

Anders als bei einem Autounfall, bei welchem die körperlichen Folgen für Außenstehende unter Umständen deutlich sichtbar sind, sind die psychischen und physischen Folgen sexualisierter Gewalt für andere unsichtbar. Je nach individuellen und sozialen Ressourcen kann es Betroffenen schwer fallen sich Hilfe zu holen oder Anzeige zu erstatten. Schamgefühl und eigene Schuldzuweisungen können ein Grund dafür sein.

Die Folgen sexualisierter Gewalt sind sehr individuell:

  • Psychische, körperliche und psychosomatische Erkrankungen
  • Rückzug aus dem sozialen Umfeld
  • Erwerbslosigkeit
  • Schwierigkeiten und Ängste, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen
  • Angst – teilweise Todesangst -, Hilflosigkeit, Verwirrung und das Gefühl von Alleingelassen-Sein
  • Angriff auf die ganze Person, auf die Würde, die körperliche und psychische Unversehrtheit
  • Gefühl von Ohnmacht und Demütigung